Surprise, Surprise! Wir sind in der Dunkelflaute angekommen - und es gibt keine Zeitung mehr, die an diesem Thema vorüberginge, nicht zuletzt deswegen, weil die Energieministerin Schwedens, Ebba Busch, kundgetan hat, sie sei wütend auf die Deutschen, sei es doch ihre Schuld, dass die schwedischen Energiepreise ungeahnte Höhen erreicht hätte. Ihr norwegischer Amtskollege Terje Aasland sprach von einer “absolut beschissenen Situation” und kündigte an, dass Norwegen ab 2026 die Leitungen nach Europa kappen wolle. Kurzum: unsere grüne, wertebasierte Außenpolitik, die nicht müde wird, die überstaatliche, europäische Komponente ihres Klima- und Weltrettungsprojekt zu betonen, führt die Nachbarn dazu, sich auf ihre nationalstaatliche Interessen zu besinnen. Nun ist das Sonderbare an dieser Situation, dass man diesen Zustand nicht im Entferntesten antizipiert zu haben scheint. In diesem Sinne ist die geistige Dunkelflaute, die der materiellen vorausgeht, Geschichte - und zugleich eine Verstörung, die von Anbeginn ein steter Begleiter des ex nihilo Projekts war.
Nun gibt es wohl niemanden, dem nicht an einer sauberen Umwelt gelegen wäre und der den anthropogenen Klimawandel nicht durch eine intelligente Energiepolitik würde einhegen wollen. Meine persönliche Verwunderung begann, als mir klar wurde, dass die Entscheidungsträger unserer Tage alle Lösungen, welche ihnen die Geschichte mitgegeben hatte, beherzt ignorierten, ja, dass sie es sich in einem Zustand bequem gemacht hatten, den man nicht anders denn als digitalen Analphabetismus bezeichnen kann. Hält man sich vor Augen, dass das Projekt der Energiewende auf nichts anderes als die Konstruktion eines energetischen Internets hinausläuft, so wäre die Reihenfolge der Energiewende klar gewesen: zuerst ein Smart Grid, parallel dazu eine intensive Erforschung und Entwicklung innovativer Speichertechniken, schließlich eine sukzessive Bestückung mit erneuerbaren Energieträgern. Vor allem aber hätte man sich klar machen müssen, dass volatile Energien ein entsprechendes Backup-System voraussetzen. Von daher hätte sich der Ausschluss der Kernenergie eigentlich verboten, ja, hätte man sich vor allem klar machen müssen, dass energetische Techniken das Triebwerk unserer Gesellschaft darstellen - und dass es alles andere als ein Kinderspiel ist, einen über 120 Jahre gewachsenes Gesellschaftstriebwerk in kürzester Zeit in eine andere Systemarchitektur zu überführen. Dass Annalena Baerbock der Meinung anhängen mag, dass das Netz der Speicher ist, ja, dass dieses Wunderwerk letztlich von Kobolden angetrieben wird (»Rohstoffe, Kobold, wo kommt das eigentlich her?«), mag man ihrer Begeisterung fürs Völkerrecht zuschreiben, dass der Wirtschaftsminister Habeck, bevor er als Demolotion Man tätig wurde, dekretieren konnte
Fakt ist: Wir haben aktuell ein Gasproblem, kein Stromproblem.
lässt an der Intelligenz der gesamten Regierungsmannschaft zweifeln. Denn dass unser Gesellschaftssystem, ja, unsere ganze Lebensweise von der Verfügbarkeit von Energien abhängt, sollte eigentlich sein, was die Amerikaner einen no brainer nennen. Der Zusammenhang von Geist und Energie war ein Leitmotiv, dem ich in meinem kulturgeschichtlichen Arbeiten immer wieder begegnet bin: von der metallurgischen Revolution, die zum Alphabet führt, von der Räderwerktechnik des Mittelalters, die den Kapitalismus gebiert - bin hin zur Entdeckung des Vakuums, das nicht bloß Dampfmaschine und Thermodynamik, sondern die digitale Revolution speist.
Sowenig wie sich die Zeitgenossen darüber im Klaren sind, dass ihre Solarpanels ein Epiphänomen des Transistors, resp. des Computerchips sind, so sehr ist ihr Handeln durch eine ausprägte Gegenwartsblindheit, ja, einen frappierenden Mangel an Vorstellungsvermögen geprägt. In ein amüsantes Bild übersetzt, mutet das Verhalten unserer Entscheidungsträger so an, als ob ein Held der Lüfte, der sich lange im Blindflug voran bewegt hat, nun mit stolzgeschwellter Brust seinen umweltschädlichen Fallschirm zerstört, aus dem Flugzeug springt und sich einredet, dass er während des Sturzes in die Tiefe sich seinen neuen Fallschirm schon wird zurechtbasteln können.
Wenn Talleyrand eine Napoleonische Hinrichtung mit den Worten quittiert hat:
Es war schlimmer als ein Verbrechen, es war eine Dummheit.
ist man in einem Register gelandet, das ein Historiker treffend ›Stupidologie‹ genannt hat - und das Flaubert gegen Ende seines Lebens mit dem Ehrgeiz erfüllt hat, eine Enzkylopädie der Dummheit in Angriff zu nehmen. Tatsächlich muss man gar keine literarischen Volten vollführen, es reicht, dass man sich mit kundigen Zeitgenossen unterhält, welche die Irrtümer unserer demolition men aufspießen. Deswegen hier ein kleiner Rückblick darauf.
Es begann durchaus harmlos - mit einem kleinen Text, der im Winter 2022 verfasst wurde:
Das Gespräch mit dem Stuttgarter Thermodynamiker André Thess behandelte die Frage, wie es möglich sein konnte, dass in der Entscheidung zur Energiewende Ethiker, Theologen etc. eine Stimme bekamen, aber dass es niemand für nötig befunden hatte, sich die nötige Fachexpertise einzuholen. Was Thess mit einem wunderbaren Nietzsche-Zitat garnierte:
Der Irrsinn ist bei einzelnen etwas Seltenes – aber bei Gruppen, Parteien, Völkern, Zeiten die Regel.
Weil die Auseinandersetzung mit Fachleuten zwingt, die eigene Begrifflichkeit zu schärfen, stellt sich die Frage, woher die Denkfiguren, die heutzutage eine Allgegenwart und Vertraulichkeit angenommen haben, die aber, wenn man sie in den Blick nimmt, eine überraschende Geschichte in sich tragen. Oder wie Wittgenstein gesagt hat:
Je näher man ein Wort anschaut, desto ferner schaut es zurück.
Folglich schreibt man einen Text, welcher der Frage nachgeht, woher eigentlich das Konzept der Nachhaltigkeit rührt.
Im Gespräch mit dem Journalisten und Politikwissenschaftler Ralph Schöllhammer wiederum ging es um eine eher philosophische Frage, seine Überzeugung, dass jede Zivilisation damit beginnt, dass man natürliche Energien zu zähmen gelernt hat.
Die Auseinandersetzung mit Niko Paech, der einen sehr klaren Blick auf die kognitiven Dissonanzen der Energiewende und die moralische Problematik des greenwashing hat, nahm die Frage in den Blick, ob eine energetische Schrumpfkur wirklich die Lösung sein kann.
War und ist Niko Paech davon überzeugt, bestärkte mich die durchaus anregende Unterhaltung in meiner Überzeugung, dass die Verwaltung des Mangel in die Irre führt.
Nein, ärger noch, dass man hier einer Wiederkehr malthusianischen Denkens beiwohnt, welche im 19. Jahrhundert in Irland nicht bloß eine vermeidbare Hungersnot verursachte, sondern einer eigentlich menschenfeindlichen Form des Sozialdarwinismus das Wort redet:
Weil man, wenn man sich den Denkfiguren anderer Menschen nähert, allerlei Überraschungen gewärtigt, begann mein erstes Gespräch mit einem Klimatologen mit einer Analyse des Anaversums, also jenem Paralleluniversum, welches von Donald Duck und seinesgleichen besiedelt ist, dieser Ente wie du und ich. Dabei zeigte sich Hans von Storch, als alter Sozialdemokrat, fassungslos darüber, wie unsere Politikerkaste der Welt eine Politik verordnen zu können glaubt, die nicht bloß illusionär ist, sondern der darüber hinaus doch niemand zu folgen bereit ist:
Dass die Regierung, namentlich Robert Habeck, trotz aller Widrigkeiten an ihrem Energieprogramm festhielt, war ein Anlass, das darunterliegende Denken in Augenschein zu nehmen, insbesondere die Theorie der Ökonomin Mariana Mazzucato, die Habeck das geistige Rüstzeug für seinen halsbrecherischen Interventionismus mitgegeben hatte:
Wie und in welchem Maße sich die Klimafrage zu einem Politikum, nein, mehr noch zu einem Schlachtfeld gewandelt hat, wurde in dem Gespräch mit Roger Pielke jr., dem “Lord Voldemort” der Klimatologie deutlich, der als geduldiger Statistiker bestimmte Glaubensartikel der Aktivisten in Frage gezogen hatte. Dies wiederum hatte nicht-enden-wollende Denunziationen und eine akademischen Kaltstellung zur Folge und bewegte Pielke schlussendlich dazu, Academia Lebewohl zu sagen:
Um zu verstehen, wie und welcher Form sich die Problematik der Klimawandels auf den Journalismus und die veröffentlichte Meinung auswirkt, führte ich ein Gespräch mit Axel Bojanowski, der als Journalist bei Geo, Nature, dem Spiegel und der Welt die Wandlungen des Zeitgeistes aus der Nähe hatte beobachten können. Als Erklärung für den flagranten Wahnsinn steuerte er das Konzept der Pädophrastie bei - das man als eine Form der organisierten Verantwortungslosigkeit lesen kann, wird hier doch - getreu der Devise: Kindermund tut Wahrheit kund - die Entscheidung an die Kinder delegiert (was erklären mag, warum Greta zur Heiligen der letzten Tage hat avancieren können).
Eine verwandte Perspektive wurde in dem Gespräch mit Robert Zubrin sichtbar. Schaut Zubrin als Nuklear- und Raumfahrtspezialist auf eine lange Karriere bei der NASA zurück, attestiert der Gründer der Mars-Gesellschaft den politische Eliten gleich ein doppeltes Versagen: zum einen, was die Energiepolitik, zum anderen, was ihre Zukunftsfähigkeit überhaupt betrifft. Denn wie will man den Klimawandel angehen, wenn es nicht einmal gelingt, eine Mars-Station zu errichten?
Das Gespräch mit Fritz Vahrenholt wiederum, der als Hamburger Umweltsenator, später als Manager für große Energiekonzerne sich praktisch für eine saubere Umwelt und neue Energieformen eingesetzt hatte, war schon deswegen aufschlussreich, weil es aus einer Binnenperspektive heraus klar machte, wie und warum im politischen Diskurs die Moral die Oberhand über intelligente Problemlösungsstrategien hatte gewinnen können.
Mit Scott Tinker zu reden, brachte insoweit eine Weiterung des Blickes mit sich, als der Universitätsprofessor und Staatsgeologe von Texas durch die ganze Welt gereist war. Und hier hatte er die Energiearmut des globalen Südens in Augenschein genommen und in einer Reihe von denkwürdigen Dokumentarfilmen verewigt.
Das Gespräch mit Andreas Schulte brachte insoweit einen gänzlich neuen Blickwinkel ins Spiel, als hier ein Dr. forest, die praktizierende Nachhaltigkeit sozusagen, von den Überraschungen erzählte, welche man mit diesem eher langfristigen Blick in der Aufmerksamkeitsökonomie der Gegenwart erzielen kann, sei es, dass eine solche Langfristperspektive mit der Quartalslogik der Investoren kollidiert oder ein SPD geführtes Wissenschaftsministerium sich an der Formulierung stößt, dass man ein Institut für die globale Forstwissenschaftselite aufbauen wolle:
Wenn sich der Zirkel dieser Gespräche schließt - und man am Ende am Ausgangspunkt anlangt, Deutschland im Blackout und der Frage, inwieweit dies auf eine geistige Dunkelflaute zurückgeht, so war das Gespräch mit Manfred Haferburg erhellend. Denn Haferburg, hat als junger Schichtleiter des größten Kernkraftwerkes der DDR zum Jahreswechsel 1978/79 einen großen Blackout erlebt - und war nach der der Wende zu einem Berater der Nukelarindustrie acvanciert. Folglich hat er nicht nur mehr Kernkraftwerke von innen gesehen hat als die meisten Politiker, sondern zudem einen ausgeprägten Sinn für den gebauten Sachverstand, den ein Energiesystem in sich trägt:
Und damit endet dieser Rückblick, der zugleich ein großes Kopfschütteln ist - die Verwunderung darüber, wie man die großen Fragen der Zeit verschlafen kann.
Was die Frage aufwirft, wie sich stattdessen in einem kollektiven Don Quixotismus hat ergehen können.
Vielleicht liegt die Antwort in einem Bonmot, dass uns der Komiker einer anderen Zeit uns mitgegeben hat:
Es ist alles gesagt, bloß noch nicht von allen. (Karl Valentin)