Wenn es in der Ökonomie den Konterpart des Kriegsphotographen gäbe, so könnte man Thomas Mayer einen ›Physiognomen des Crashs‹ nennen, nicht zuletzt auch deswegen, weil seine Biografie ihn mehrfach ins Auge des Sturms hineingeführt hat. Nach dem Berufseinstieg ins Kieler Instituts für Weltwirtschaft gelangte der junge Volkswirt zum Internationalen Währungsfond, danach zu Goldman Sachs und zu Salomon Brothers, wo er beobachten konnte, wie Nobelpreisträger und mit Preisen geadelte Genies den LTCM-Fonds in gigantische Verluste hineinstürzten. Nach diesem Vorspiel, dem die Dotcom-Blase nachfolgte, konnte Mayer als Chief European Economist und Co-Head of Global Economics der Deutschen Bank in London beobachten, wie sich die Subprime-Krise aufbaute und schließlich explodierte – ein Vorgang, der für ihn so etwas wie ein „persönlicher Weckruf“ war. Zum Chefvolkswirt der Deutschen Bank Gruppe avanciert, ließ er der Krise eine Reihe von tiefsinnigen Betrachtungen und Büchern folgen. Und obschon Mayer noch immer der Sozialphilosophie des Friedrich von Hayek anhängt, kommt er nicht umhin, dem Gros seiner Zunftgenossen eine Form des Wirklichkeitsverlustes zu bescheinigen, welcher im Wortsinn zu einer Entwertung der Werte geführt habe. Den Grund dafür sieht er in dem Vertrauen in das Financial Engineering, der irrigen Hoffnung, dass sich die radikale Unsicherheit einfach aus der Welt herausrechnen ließe. Und weil ihn sein Nachdenken längst über die Grenzen des Wirtschaftens hinausgeführt hat (und zunehmend Philosophen oder Soziologen seine Texte bevölkern), gestaltet sich ein Gespräch mit ihm wie ein Rundflug über die Zeiten und Gesellschaftsgebilde hinweg.
Thomas Mayer leitet nach seinem Ausscheiden aus der Deutschen Bank das Flossbach von Storch Research Institute, die Denkfabrik des Vermögensverwalters Flossbach von Storch AG. Zugleich bekleidet er eine Honorarprofessur an der Universität Witten-Herdecke.
Im Gespräch mit ... Thomas Mayer (Audio)