Mögen die Klagen über die Einbuße an Liberalität und Toleranz, ja, über die Probleme der Cancel Culture unterdessen Legion sein, bleibt die grundsätzlichen Frage, was es mit der Hypermoralität auf sich hat, zumeist unerhellt. Genau hier aber setzt Michael Andrick an, der in seinem jüngst erschienenen Buch Im Moralgefängnis das Leben daselbst einer gründlichen, philosophisch unterfütterten Untersuchung unterzieht. Der große Vorzug dieses Zugangs ist, dass er sich aller Wertung enthält und sich stattdessen mit den Eigendynamiken und Konsequenzen der moralischen Aufladung beschäftigt. Genau dies aber macht die Gefahren deutlich, die damit verbunden sind. Ein Zuviel von jenem Moralin (das schon Nietzsche antizipiert hat) erzeugt Moralitis – und diese wiederum schlägt sich als Vergiftung des öffentlichen Diskurses nieder.
Michael Andrick ist Philosoph, Kolumnist und im Brotberuf Manager bei einem großen Unternehmen. Seit 2021 schreibt er für die Berliner Zeitung eine monatliche Philosophische Kolumne. Seine beiden Bücher Im Moralgefängnis sowie Erfolgsleere wurden weithin rezipiert.
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