Wenn in einem der wunderbaren Gespräche mein Gesprächspartner mich mit der Aussage überrascht hat, er sei ein Zeitgenosse Shakespeares, so könnte diese Verwirrung der Maßstäbe (Fair is foul, and foul is fair!) als Leitmotiv über der Unterhaltung stehen, die ich mit Wolfgang Herles geführt habe – war sie doch ganz dem Rätseln darüber gewidmet, wie jemand, der tief in der Mitte der Gesellschaft beheimatet war, sich plötzlich in der Randständigkeit wiederfinden konnte. Oder wie Wolfgang Herles in einem Stoßzeufzer selbst artikuliert: „Ich habe mich wie ein Fisch im Wasser gefühlt. Aber jetzt habe ich das Gefühl, als hätte man mir das Land unter dem Arsch weggezogen.“ Für Wolfgang Herles liegt die Ursache dieser Entfremdung in der Entstehung der Berliner Republik, die Konsens nur dadurch herzustellen vermochte, dass sie auf die Errungenschaften des offenen Diskurses verzichtete (was der Leiter des Sendeformats „Bonn direkt“ mit einer Zwangsversetzung in die Kultur bezahlen musste). Nun ist dem, nach eigenem Bekunden, „geborenen Skeptiker“ nichts mehr zuwider als der schweigende Konformismus – und so versteht sich Herles jüngstes Buch als Anstiftung zu einer bürgerlichen Revolution – und trägt den leicht ironischen Titel „Mehr Anarchie, die Herrschaften!“. Nun mag der deutsche Untertanengeist ein Grund für die Anpassungsbereitschaft des Publikums sein, aber ein zweiter ist gewiss die Stromlinienverformung der Öffentlichkeit, der Herles vor einiger Zeit sein Buch „Die Gefallsüchtigen“ gewidmet hat – und weil dies ein wiederkehrendes Motiv auf ex nihilo ist, geht die Unterredung der Frage nach, welche psychosozialen Auswirkungen die Quote auf die Öffentlichkeit gehabt hat und worin die Verwerfungen bestehen, die uns zu Zeitgenossen Shakespeares machen.
Wolfgang Herles war als Journalist und Frontmann der Sendung „Bonn direkt“ ein Chronist der Bonner Republik, später dann Talkshowmoderator und Leiter verschiedener Kultursendungen (von den „aspekten“ , den „Schrifttypen“ bis hin zum „Blauen Sofa“).
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