Insofern das totalitäre Denken untrennbar mit der Frage der totalitären Herrschaft, der historischen Erfahrung von Nationalsozialismus und Kommunismus verknüpft ist, gerät die grundlegende Frage aus dem Blick, was den Einzelnen so empfänglich für totalitäre Gedankenfiguren macht. Dieses Versäumnis mag erklären, warum eine Psychologie des Totalitarismus1 lang auf sich hat warten lassen, ja, warum auch dieser Versuch Gefahr läuft, sich in die Falle der Massenpsychologie hinein zu verirren. Zu einem gewissen Grade ist dies durchaus nachvollziehbar. Denn wie Marx dies vorgeführt hat (»Religion ist Opium des Volkes«), ließen sich die Religionen als eine Form der Massenhypnose begreifen – und folglich: als totalitäres Denken. Damit allerdings hätte man alle nicht-säkularen Gesellschaften als totalitär gebrandmarkt, hätte man die Ganzheitlichkeit der vorschriftlichen Welt (die participation mystique, wie Levy-Bruhl dies genannt hat) als Signatur des Totalitären dingfest gemacht. Dem könnte man insoweit zuzustimmen, als eine jede Religion ihre Gläubigen mit einem Sinnreservoir versorgt, welches ihnen, indem es die offenen Fragen des Lebens schließt, die Lebensangst nimmt – oder, wenn man einem Gedanken des Religionswissenschaftlers Rudolf Otto folgen wollte: man hätte das Mysterium tremdendum mit dem Mysterium fascinans übermalt, den Schrecken also mit der religiöser Ehrfurcht gebannt. In jedem Fall ist auf diese Weise eine Ganzheitlichkeit (eine große Erzählung) etabliert, die das unmittelbare Erleben in eine Ordnung überführt. Mag jeder Religion insofern eine totalitäre Dimension innewohnen, ist dem Verständnis des Totalitarismus keineswegs gedient, wenn man ihn mit dem Religiösen kurzschließt. Auf diese Weise nämlich hat man die historische, moderne Dimension dieses Denkens geopfert. Denn der Totalitarismus ist der dunkle Begleiter der Aufklärung, die sich ihm auf die gleiche, unerwartete Weise zugesellt wie dem Dr. Jekyll sein Mr. Hyde.2 Wenn man also auf der religiösen Prägung des jeweiligen Totalitarismus insistiert, wäre es folgerichtiger, von einer Religion ohne Religion zu sprechen – einer Sinngebungsmaschine, die ihrer Innerweltlichkeit ungeachtet mit einer Dogmatik auftritt, die man ansonsten nur von Religionen kennt. Genau dies ist die Signatur jener totalitären Ideologie, die in George Orwell ihren großen Erzähler gefunden hat – vermag er doch, mit seinem Hinweis auf das groupthink, zu erklären, wie es möglich ist, dass 2x2 fünf ergibt.
Wenn die Ideologie die Realität, ja, den eigenen Sinnesapparat außer Kraft setzen kann, haben wir ein erstes Charakteristikum des totalitären Denkens dingfest gemacht: das, was man, je nachdem, Realitätsblindheit oder ideologische Verblendung nennen könnte. Weil das Gedankenkonstrukt eine überragende Stellung einnimmt, ist man bestrebt, all die Realitäten, die dem nicht entsprechen, aus dem Blickkreis zu verbannen – oder wenn sie sich nicht fügen, sie in symbolischer Form, ja, selbst unter Einsatz oder Androhung physischer Gewalt zu verbannen. Folgt man einer Unterscheidung Freuds, so wäre ein solches Verhalten psychotisch zu nennen.3 Dass wir davon absehen, hat damit zu tun, dass man es hier nicht mit einer individuellen, sondern einer kollektiven Abweichung zu tun hat. Hier mag Nietzsche weiterhelfen, der einst in schöner Kürze bemerkt hat:
Der Irrsinn ist bei Einzelnen etwas Seltenes, aber bei Gruppen, Parteien, Völkern, Zeiten die Regel.
Dieses Zitat macht klar, dass man nicht viel gewinnt, wenn man das totalitäre Denken als Irrsinn, ja als Massenpsychose betrachtet. Denn insofern es massenhaft auftritt, wird das totalitäre Denken nicht als psychotisch erlebt, sondern kann einen regelhaften, durchaus rationalen Anstrich annehmen. Nicht selten gar nimmt es die Form einer Gesellschaftsverbindlichkeit an - und wird damit zum Klebstoff, welcher eine Gruppe, eine Partei oder einer Nation mit einem Zugehörigkeitsgefühl ausstattet. Mögen Nationalsozialismus und Kommunismus einige Verwandtschaft zum religiösen Denken aufweisen, wird das Phänomen sehr viel lesbarer, wenn man, statt zu einer religiösen Lesart Zuflucht zu nehmen, sich mit der modernen Prägung des Totalitarismus beschäftigt. Wenn der Massencharakter, strukturell betrachtet, eine Charakteristik des totalitären Denkens ist, und wenn sich dieses genau dadurch von der tradierten Religiosität abhebt, wäre die folgerichtige Frage demnach: Wie kommt es überhaupt zur modernen Massengesellschaft? Meine Antwort, wie sie im Bild und der Metapher der zuckenden Mönche niedergelegt ist, wäre, dass die moderne Massengesellschaft mit der Entdeckung des Vakuums und der Elektrizität einhergeht. Hier wird jene Form der telematischen Gesellschaft denkbar, die in Gestalt des Internets zu einer globalen Ordnung geworden ist. Wenn Lenin gesagt hat, dass Kommunismus »Sowjetmacht plus Elektrifizierung des Landes« sei, so lässt diese Bemerkung durchblicken, dass die ideologische Gleichschaltung eine technologische Gleichschaltung voraussetzt. Zwar lassen sich bereits in der Frühzeit der Elektrizität Formen der Massenviralität beobachten (in den Mesmer’schen Salons, den Gesellschaften der Harmonie, oder im Schatten des Puységur’schen Zauberbaums), jedoch wird die Massenpsychologie erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts zum großen Thema, jener Zeit mithin, in der die telegraphische Öffentlichkeit keine Verheißung mehr ist, sondern eine alltägliche Tatsache. Bei Gustave le Bon - und in seiner Nachfolge, bei Sigmund Freud - bleibt diese technologische Dimension unerwähnt. Folgt man ihnen, hat man es mit einer Form der Hypnotisierung zu tun, bei der der Wille des Einzelnen an die Masse übergeht. Angesteckt, ja geradezu trunken von der massenhaften Erregung, geht der Einzelne in der Bewegung des Kollektivs auf. Nimmt dieses Phänomen bei Massenveranstaltungen, wo ein ganzes Kollektiv wie ein Mann zu agieren vermag, eine physische Prägnanz an, vermag sich die Masse auch dort, wo sie als solche nicht anwesend ist, einzuprägen. In diesem Sinne könnte man von einem erkalteten, formalisierten Masseaggregat sprechen. Dieses hat Martin Heidegger in seinem Sein und Zeit in der Gestalt des Man festgehalten. Denn indem sich der Einzelne verhält, wie man sich verhält, ist sein Willenszentrum, aber auch seine Individualität an ein Massesubjekt abgetreten. In diesem Sinn könnte man sagen, dass das totalitäre Denken dort beginnt, wo die Masse in mir (das Heidegger’sche Man) die Kontrolle übernimmt.
Wenn die Massenseele – und damit das totalitäre Denken - mit der Emergenz der Massenmedien zusammenfällt, ist eine genuin moderne Kausalität hergestellt. Interessanterweise ist dies der Subtext jener großen Klageschrift, die der französische Philosoph Julien Benda mit seiner Trahison de clercs (auf Deutsch: Dem Verrat der Intellektuellen) im Jahr 1927 vorgelegt hat.
Nicht bloß, dass sich Benda hier über die Empfänglichkeit vieler Intellektueller für totalitäre Gedankenfiguren verwundert, darüberhinaus wird er nicht müde zu betonen, dass die Ideologien, verglichen mit dem 18. oder 19. Jahrhundert, eine erstaunliche Prägnanz angenommen hätten. Hält man sich vor Augen, dass Bendas Beobachtung mehr oder minder mit der Heraufkunft des Radios zusammenfällt – und im selben Jahr erscheint wie Siegfried Kracauers »Ornament der Masse« -, kann diese Beobachtung nicht verblüffen. Man muss sich nur die Brecht’sche Medientheorie zu Gemüte führen, wo dieser, das Internet antizipierend, den Rundfunk als Kommunikationsapparat der Massen begreift, und man sieht, dass sich die Gesellschaft mit der Erfindung der Massenmedien zunehmend einer Form des Man ergibt. Neu dabei ist, dass, wenn ein jedermann allein vor seinem Volksempfänger sitzt, es nicht einmal mehr eines physischen Masseaggregats und der entsprechenden Massenhypnotisierung bedarf. Von daher ist der Versuch des Abbé Nollet, der im Jahr 1746 Hunderte von Kartäusermönchen versammelte und sie mit einem Kondensator unter Strom setzte, so etwas wie eine Metapher, ja das heiße Urbild der modernen Massengesellschaft. Besitzt die Massenseele im Bild der zuckenden Mönche eine unübersehbare physische Prägnanz, hat sie sich dort, wo sich die Mega-Monade zur Maschine ausgekühlt hat, in die Virtualität übersetzt. Dabei vermag die Vereinzelung des Radiohörers den Effekt noch zu steigern. Denn nicht bloß, dass dieser Gefahr läuft, den eigenen Willen dem Man hintanzustellen – darüberhinaus mag der Betreffende geneigt sein, das übermittelte Sinnangebot für seinen eigenen Willen zu halten.
Wenn die Bilder des Reichsparteitags vom Triumph des Willens, nein, des Totalitarismus künden, so überblendet das Bild des totalen Staates die sehr viel grundlegendere Frage, was die Bewohner der Moderne so empfänglich für die totalitäre Versuchung macht. Hannah Arendt, die in diesem Kontext von einer gesellschaftlichen Atomisierung gesprochen und der Heimatlosigkeit, ja der existenziellen Entortung des Zeitgenossen eine bedeutsame Rolle zugewiesen hat4, mag hier eine sehr viel feinfühligere Beobachterin gewesen sein als beispielsweise Wilhelm Reich, der in seiner Massenpsychologie des Faschismus die repressive Sexualmoral dafür verantwortlich gemacht hat – eine Deutung wiederum, die zu jener vielzitierten Studie zum autoritären Charakter führte, welche die Frankfurter Schule im Jahr 1950 vorlegte. Nun ist eines der Paradoxa der Gegenwart, dass die sexuelle Befreiung und die Überwindung des autoritären Charakters den Totalitarismus keineswegs zum Erliegen gebracht hat. Im Gegenteil. Man könnte nachgerade von einer Renaissance des totalitären Denkens sprechen. Das Paradox dabei ist, dass die postmoderne Spielart der Massenversammlungen nicht mehr bedarf, ja, dass man sich auch mutterseelenallein der Massenseele verschreiben kann. Wenn wir von einer Religion ohne Religion gesprochen haben, wäre dies Paradoxon ebensogut auf die Masse zu übertragen, könnte man von einer Masse ohne Masse sprechen. Eine solche Deutung ist auch aus psychologischen Gründen überaus hilfreich. Denn es ist gerade die Vereinzelung, das Gefühl innerlicher Heimatlosigkeit und Entwurzelung, welches den Bewohner der Postmoderne, das freie Radikal, empfänglich für totalitäre Anschlüsse macht. Auf diese Weise nämlich ist die innere Leere gefüllt, mag der Betreffende, identitätspolitisch aufgerüstet, sich ein entsprechendes Selbstbewusstsein einzuverleiben.
Wenn ich die Unterscheidung von heißer Metapher und kalter Formalisierung eingeführt habe, so deswegen, weil die Logik der Massenseele, parallel zur Technologisierung, mit einer Auskühlung einhergeht – und der Massencharakter dabei zunehmend verblasst. Nichtsdestotrotz trägt, was wir Filterbubble zu nennen uns angewöhnt haben, genau dies in sich. Schon aus diesem Grund lohnt es sich, sich über den sogenannten Netzwerkeffekt klarzuwerden, jenes Phänomen, das Robert Metcalfe, der Erfinder des Ethernet, als erster ausformuliert hat. Der Gedanke ist simpel: Zwei Menschen, die miteinander verbunden sind, verfügen lediglich über eine Verbindung, drei Menschen kommen auf zwei, vier Menschen auf sechs Verbindungen. Erhöht man das Netzwerk auf 100 Personen, hätte man 4.950 Verbindungen, während eine Kleinstadt von 20.000 Einwohnern, wenn sich denn alle miteinander vernetzt hätten, auf schwindelerregende 190 Millionen und 990.000 Verbindungen käme.
Überträgt man dies auf Populationen, genauer: auf Neigungsgruppen, die sich um ein bestimmtes Faszinosum, ein Phantasma oder einen Fetisch herum gruppieren, sieht man, dass jede noch so marginale Randgruppe eine Echokammer darstellt, die, was ihre Wucht anbelangt, es mit jeder einer noch so imposanten Masseformation aufnehmen kann, nein, mehr noch, die selbst die klassischen Medienkonzerne zu übertrumpfen vermag.
In diesem Sinn agiert jedermann, der einen Tweet liked, ja, der als Avatar eine bestimmte Gefolgschaft hinter sich versammelt, in einem Feld der Viralität.
Hat man dem ehedem mit der Massenpsychologie beizukommen versucht, versagt diese dort, wo sich das Ganze als eine Form der individuellen Meinungsbildung darstellt. Insofern man es über die Maschine und den Netzwerkeffekt mit einer Privatisierung der Masse zu tun hat, beginnt die Unterscheidung zwischen dem freien Radikal und der Masse zu verschwimmen – erhebt hier das Megasubjekt des Multiplikators und Influencers sein Haupt. Strenggenommen handelt es sich dabei um eine Dichtotomie: Haben wir auf der einen Seite das unbewaffnete, analoge und endliche Selbst, so steht auf der anderen Seite der Avatar, die Online-Existenz, die 24/7 und weltweit erreichbar ist. Hält man sich die Formel vor Augen, die der digitalen Ordnung zugrundeliegt, x=xn, ist die psychologische Asymmetrie durchaus sinnfällig. Denn während das unbewaffnete Selbst stets auf seine Begrenztheit zurückgeworfen ist, trägt die Online-Existenz (als digitale Vergrößerung) so etwas wie eine totalitäre Versuchung in sich – insbesondere dort, wo man, über eine thymotische Aufladung, geneigt sein könnte, »dem Affen Zucker zu geben«. Oder noch einmal anders gesagt: In Gestalt der Online-Existenz ist dem Einzelnen die totalitäre Versuchung auf den Leib gerückt, ja, ist sie selbst in die Räume hineingekrochen, wo sich das vereinsamte Selbst nach Gesellschaft und Zugehörigkeit sehnt. Was ehedem ein Ausnahmezustand war, der sich auf Volksfesten und Fußballplätzen in karnevalesker Form entlud, wird nun zu einer Alltäglichkeit, bei der sich das freie Radikal mit einem Mausklick über seine Vereinzelung und seine Depressionen hinweg zu trösten versucht. Hat man dies im Blick, ist die Anfälligkeit der Zeitgenossen für totalitäre Denkfiguren nicht mehr erstaunlich. Mehr noch: Man versteht, warum der Totalitarismus sich nicht mehr bloß in gesellschaftlichen Randbezirken formiert, sondern in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist – in durchaus überraschender Form. Nehmen wir den harmlos klingenden Anspruch auf die sogenannten safe spaces, die sich im Gefolge der Identitätspolitik an den Universitäten breit gemacht haben. Mag es schon bemerkenswert genug sein, dass man die eigene Fragilität mit einem solchen cordon sanitaire glaubt schützen zu müssen, so bezeugt die Politisierung des Selbstverständlichen, dass die eigene Identität nicht mehr gegeben ist – ja, dass man sie nur auf totalitäre Weise, im Zusammenschluss mit Gleichgesinnten, durchzusetzen mag; und weil diese Aktion in der Regel gegen einen Feind zielt, kann man diesem die Verantwortung für das eigene Vakuum aufbürden. Wenn Peter Handke in seinem Gewicht der Welt einst notierte, dass die einzige politische Handlung, die er sich vorstellen könne, der Amoklauf sei, so ist damit die Endlösung jener tiefen narzisstischen Demütigung skizziert, die dem freien Radikal im digitalen Zeitalter auferlegt ist: dass man sich in der Virtualität nicht als Virtuose hervortun und im Gespann mit der Avatar-Population kein Individuum mehr sein kann. In diesem Sinn ist die Überwindung des Totalitarismus keine politische, sondern eine existenzielle Aufgabe: dass man begreifen muss, wie es ist, als Dividuum ein sinnerfülltes, menschenverbundenes Leben zu führen. Umgekehrt führt die Weigerung, diese narzisstische Demütigung zur Kenntnis zu nehmen, zwangsläufig zu einer besonderen Empfänglichkeit, dazu, dass man sich allen erdenklichen Gedankenfiguren hingibt, die dem Einzelnen ein Gefühl von Ganzheit vermitteln – und die verlorenen Paradiese in die Gegenwart zurückholen. Mag der Einzelne der totalitären Versuchung erliegen, so artikuliert sich selbige, anders als die Totalitarismen des 20. Jahrhunderts nicht als Massenhypnose, sondern kann, polymorph pervers, durchaus vielfältige Formen annehmen. Wenn der Schlachtruf der Gegenwart sich auf Gleichheit, Diversität und Inklusivität reimt – und wenn sich ihm andererseits ein Great Again zugesellt, dann wissen wir: Der Totalitarismus der Gegenwart ist so bunt, wie das Leben bunt ist!
Der belgische Psychiater Mattias Desmet hat im Jahr 2020 ein Buch mit diesem Titel vorgelegt.
Das spiegelt sich auch in der Etymologie. Das Adverb totaliter kommt aus der Kaufmannssprache und meint soviel wie ›vollumfänglich‹, im 19. Jahrhundert wird es, den englischen Totalisator, d.h. einer Zählapparatur vor Augen, die bei Pferdewetten benutzt wurde, der deutschen Sprache eingemeindet.
Hier mag eine Unterscheidung hilfreich sein, die Sigmund Freud etabliert hat, um zwischen Neurose und Psychose unterscheiden zu können. Da stellt er sich in einem kleinen Gedankenexperiment eine junge Frau vor, die vor dem Totenbett ihrer Schwester steht, in deren Mann sie heillos verliebt ist. Nun könnte sie sich sagen: Freie Bahn der Tüchtigen!, aber weil die Pietät am Totenbett einen solchen Gedanken undenkbar erscheinen lässt, ist die Neurotikerin zur Verdrängung genötigt. Was aber macht die Psychotikerin? Ihre Antwort auf die moralische Aporie ist so einfach wie schlagend: Sie redet sich ein, die Schwester sei gar nicht tot.
The truth is that the masses grew out of the fragments of a highly atomized society whose competitive structure and concomitant loneliness of the individual had been held in check only through membership in a class. Hannah Arendt: The Origins of Totalitarianism. New York 2004, S. 421.
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