Was tut man nicht alles, wenn man gut drei Jahre mit einem Projekt verbracht hat, das auf der Festplatte unter der Überschrift „Erste Dinge“ firmiert – und auf nichts Geringeres als eine „Alien Logic“ abzielt, eine Apotheose der Weltfremdheit? Genau: Man überwindet die langgehegte Idiosynkrasie – und verordnet sich selbst eine Resozialisierungsmaßnahme. Dass hier Substack sich anbot, hatte wesentlich mit der Flexibilität der Plattform zu tun, dem Umstand, dass sich hier nicht bloß Texte, sondern auch Audiostücke und Videos publizieren ließen – und dass der Newsletter eine Kommunikation mit der Leserschaft ermöglicht, die sich vom aufmerksamkeitsheischenden Clickbaiting wunderbar abhebt. Nun entfalten Dinge ein sonderbares Eigenleben – so auch dieser Blog. Denn mit einer solch transmedialen Maschine begabt, lag der Gedanke nahe, in Gespräche mit anderen Zeitgenossen einzutreten – ein Kommunikationsmodus, der im Laufe der Corona-Pandemie sich als globale lingua franca, als eine nicht endend wollende Zoom-Konferenz etabliert hat. Und weil sich mit Hopkins Stanley ein englischsprachiger Mitstreiter eingefunden hatte, war es nicht abwegig, ex nihilo von vorneherein als bilinguale Plattform anzulegen. Womit der Blick über den Tellerrand hinausreicht und man sich, wie von selbst, den großen, weltbewegenden Fragen zuwendet.
Und vielleicht ist genau dies, dieses Ungeplante, Nicht-Antizipierte das wahrhaft Beglückende. Urplötzlich nämlich tun sich Dinge auf, an die man nicht gedacht hat – die sich aber, wenn man zurückschaut, als eine große Bereicherung erweisen.
Life is What Happens To You While You’re Busy Making Other Plans (John Lennon)
Wie leicht es fällt, sich mit interessanten Zeitgenossen auszutauschen – über Themenfelder zudem, die sich nicht unbedingt der eigenen Expertise zurechnen lassen. Und auch wenn der Anfang dieser Unternehmung nur ein paar Monate zurückliegt, hätte ich mir nicht ausmalen können, dass ich beispielsweise mit Klimatologen, Degrowth-Experten oder Thermodynamikern reden würde. Dass aus den rein akustischen Podcasts der Anfangszeit unterdessen Videocasts geworden sind, ist ein weiteres Produkt dieser Eigendynamik – ebenso wie der Umstand, dass man den mobilen Zeitgenossen die Podcasts auch im Auto oder beim Joggen zugänglich machen will – weswegen die Gespräche in Zukunft als Video ebenso wie als Audios erscheinen (und da auf den üblichen Streaming-Plattformen angehört werden, wie Spotify, Deezer, Stitcher, Samsung oder wie sie alle heißen mögen). Wie die Gespräche mit Thomas Mayer oder Susan Neiman, die jetzt auch als Podcasts zugänglich sind:
So begrüßenswert die Zugänglichkeit dieser Gespräche auch sein mag, weit wichtiger jedoch ist, dass sich mit diesen Gesprächen etwas verbindet, was in den zunehmend hysterisierten Debatten der Gegenwart immer seltener wird: Gedanken, die auch in zwei, drei Jahren, ja, in einer noch ferneren Zukunft Bestand haben mögen. Genau dies ist der Plan, der sich im Verlaufe der letzten Monate, wie von selbst, eingestellt hat: dass ex nihilo im Laufe der Zeit zu einem Thesaurus von Unterhaltungen wird, die sich mit dem beschäftigen, was über das Tagesgeschäft und den politischen Tellerrand weit hinausgeht. Und genau das sind die Fragen, die uns in Zukunft beschäftigen werden, sine ira et studio.
Zuguterletzt kommt ein anderes Moment ins Spiel: Denn der Autor, der sich urplötzlich mit dieser Form von Öffentlichkeit konfrontiert sieht, der darüberhinaus im steten Gespräch mit seinem Mitstreiter steht, findet sich urplötzlich genötigt, bestimmte Konzepte, die sich im paradisus claustralis der Bücherwelt, zwischen geschlossenen Buchrücken, herausgearbeitet haben, in eine etwas alltäglichere Form zu übersetzen. Hat mich dies schon zu meiner kleinen Éducation sentimentale bewegt, so wird es eine Reihe von Gesprächen geben, in der Hopkins Stanley und ich uns über bestimmte, ansonsten eher dunkel anmutende Konzepte aus der Philosophie und Psychologie der Maschine austauschen werden. Und weil es dabei darum geht, die Gedanken in die Sinnfälligkeit zurück zu übersetzen, kommt uns das Videoformat nur zupass – kann der Stream of Consciousness doch auf diese Weise unter Beweis stellen, dass der Elfenbeinturm nicht in den Wolken, sondern im Feld des Realen beheimatet ist.