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Im Gespräch mit ... Susan Neiman

Warum man nicht zugleich links und "woke" sein kann

Dass in der einst von Habermas aufgerufenen neuen Unübersichtlichkeit die Verhältnisse so durcheinander geraten sind, dass die Prophezeiungen der Macbeth-Hexen zum alltäglichen Grundrauschen geworden sind (Fair is foul, and foul is fair), ist ein Umstand, der die Philosophie auf den Plan ruft - in diesem Falle die amerikanische Philosophin Susan Neiman, die ein Buch mit dem Titel Links ist nicht woke verfasst hat. Darin geht sie den philosophischen Wurzeln dieses Denkens nach, das sich als progressiv gebärdet, aber, wenn man seinen philosophischen Wurzeln auf den Grund geht, tatsächlich einer eminent reaktionären Denkrichtung zum Durchbruch verhilft. Dass Michel Foucault (oder genauer: sein posthumer Schatten) zum spiritus rector des woken Denkens geworden ist, hat sich herumgesprochen; sehr viel dunkler hingegen ist, dass auch der Kronjurist des Nationalsozialismus, Carl Schmitt, als Souffleur unter dem Bühnenboden der Gegenwart hockt. Was diesen beiden Geistern gemein ist, ist, dass sie sich, jeder auf seine Weise, ganz der Macht verschrieben haben. Das sich der eine (Foucault) als Dämonologe, der andere (Schmitt) als Apologet gebärdet, verschlägt dabei nicht viel – denn die Fokussierung auf die Macht lässt das Gesellschaftgetriebe als eine Art verdeckten Bürgerkrieg erscheinen. In das gleiche Horn stößt die in den letzten Jahren zu Ansehen gekommene Evolutionspsychologie, die das Weltgeschehen auf die eigennützigen Gene reduziert. Es ist ein besonderer Verdienst Susan Neimans, dass sie sich dieser verdeckten Grundlagen angenommen hat. Denn ihr gelingt, woran der zeitgemäße Liberalismus scheitert, dort jedenfalls, wo er in der moralische Empörung über die moralische Empörung, über Wokistan und die Cancel Culture verharrt. - Damit die Zuschauer sich dem Lektüre-Genuss dieses Buches überlassen, dreht sich das Gespräch mit Susan Neiman vor allem um die Frage, welcher Art das Befremden war, dass sie, die sich zeitlebens als Linke verstanden hat (»Das Herz schlägt links«) zur Kritik an Denke Wokistans veranlasst hat. Tatsächlich ist das woke Ressentiment, das der Aufklärung, dem Universalismus und dem Fortschritt den Prozess machen will, vielleicht am präzisesten als Ausdruck einer geistigen Atomisierung zu sehen, als begriffsloser Kampf gegen eine verlorene Zukunft, ein Unbehagen in der Moderne. Oder wie Susan Neiman selber sagt:

Gibt man die Aussicht auf einen Fortschritt aber auf, wird Politik zum reinen Machtkampf.

Susan Neiman, die als Schülerin von John Rawls tief in der politischen Philosophie beheimatet ist, ist Direktorin am Einstein Forum in Potsdam. Sie hat eine Reihe von Büchern veröffentlicht, die sich um die Frage der Aufklärung, das Böse und die Frage der deutschen Holocaust-Aufarbeitung drehen.

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Das Buch ist ab dem 21.8.2023 im Buchhandel erhältlich:

Links # woke, Hanser 2023


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Martin Burckhardt