Ein tägliches Ritual. Man steigt auf den Heimtrainer, beginnt zu radeln und lässt eine YouTube-Sequenz irgendwelcher Popsongs laufen – und plötzlich, nach einem Stück von Lana del Rey, poppt dieser Ankündigungstext auf:
Jim Morrison (ai generated) sings Video Games by Lana Del Rey.
Und dann intoniert tatsächlich die Stimme Jim Morrisons dieses Lied, das aus der unbekannten Elizabeth Woolridge Grant (aka Lizzy Grant) den Superstar Lana del Rey machte.
Hält man sich vor Augen, dass die Stimme, ins Lateinische zurückübersetzt, auf die anima, d.h. die Seele verweist, gerät man in eine sonderbare Unsterblichkeitszone hinein, lassen sich nun alle erdenklichen Konstellationen vorstellen, eine AI generierte Janis Joplin, ein John Lennon, ein Freddy Mercury – und dann bringt es eine kurze Recherche an den Tag: All das gibt es schon. So wie das Mittelalter, von der Vitalität des Zinses dazu genötigt, zum Umbau des Himmels schritt und seinen Wucherern eine Art Zwischenreich schuf, das Purgatorium, in dem sie ihre Sünden abarbeiten konnten, konfrontiert uns die Computerwelt nun mit der befremdlichen Einsicht, dass die Dahingeschiedenen, in symbolischer Form, überleben – oder um es mit dem Titel eines Rosa von Praunheim-Films zu sagen: Unsere Leichen leben noch.
Hier kommt ein Gedanke ins Spiel, der mich vor langer Zeit, beim Nachdenken über das Zeichen beschäftigt hat. Denn das griechische sema steht nicht nur für das Zeichen, sondern auch für das Siegel, dann das Gewand – und zuguterletzt für das Grab. Und ist es nicht genau das, was uns in alldem entgegentritt? Man holt da eine Stimme aus ihrem Grab hervor – und lässt sie eine Cover-Version irgendeines Songs singen, Video Games. Und wie man weiß, hat der Held des Computerspiels ganz viele Leben … Play it again!