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Im Gespräch mit ... Fritz Vahrenholt

Über die Energiewende, die Deindustrialisierung und die geistige Dunkelflaute
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Mit Fritz Vahrenholt in ein Gespräch einzutreten, heißt, dass man sich im wesentlichen mit einer praktischen Vernunft unterhält, einem Denker, dem es im wesentlichen um Zahlen, das Machbare und die Durchsetzung sinnvoller Ziele geht. Und wenn der Umweltschutz auf einen Pragmatiker hat zählen können, so auf ihn, der zunächst beim Umweltbundesamt tätig war, bevor er zum Staatsrat bei der Hamburger Umweltbehörde, schließlich zum Hamburger Umweltsenator avancierte (von 1991-1997). Seine Karriere hatte der junge Chemiker mit einem Manifest für den Umweltschutz begonnen. Aufgewühlt von der Chemiekatastrophe in Seveso, bei der große Mengen Dioxin freigesetzt wurden (was zu einem Massesterben an Kleintieren führte, aber auch die örtliche Vegetation absterben ließ), schrieb der junge Mann, der gerade seine Promotion als Chemiker hinter sich hatte, seinen Beststeller »Seveso ist überall. Die tödlichen Risiken der Chemie«, ein Buch, das die Öffentlichkeit aufschreckte. Allem Alarmismus abhold, wechselte der Umweltsenator danach in die Industrie, wo er für die Shell AG die Sparte der Erneuerbaren Energien mit aufbaute. Anschließend wurde er zum Vorstandsvorsitzenden der RE Power Systems, mit dem er erste Windparks installierte – bevor das Unternehmen, das Vahrenholt 2002 an die Börse geführte hatte, vom indischen Mitbewerber Suzlon übernommen wurde. Hält man sich die Vita dieses höchst erfolgreichen Umweltmanagers vor Augen und macht sich darüber hinaus klar, dass sich der gestandene Sozialdemokrat zeitlebens für den Umwelt- und Wildtierschutz eingesetzt hat, lässt der Umstand, dass sich zwischen der praktischen Vernunft und dem herrschenden juste milieu eine immer größere Kluft aufgetan hat, daran zweifeln, ob es den heutigen Klima-Apolyptikern wirklich um den Umweltschutz geht, oder nicht vielmehr darum, mit dem erklärten Ausnahmezustand politische Macht zu erringen. Dass man sich dabei in kognitive Dissonanzen verliert, darüberhinaus – und ohne Not – die drohende Deindustrialisierung des Landes in Kauf nimmt, wirft die Frage auf, ob es möglich ist, dass man es nicht nur mit einer materiellen, sondern zudem mit einer geistigen Dunkelflaute zu tun hat. Wie es dazu hat kommen können, lässt Fritz Vahrenholt bis heute rätseln - wenn er er sich nicht überhaupt seiner Liebhaberei zuwendet: der Züchtung subtropischer Pflanzen.

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Von Fritz Vahrenholt sind u.a erschienen


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Martin Burckhardt