VI Die verlorene Unschuld
Dennoch, all seinen Verfehlungen zum Trotz, unterscheidet sich Ross William Ulbricht von den sinistren Gestalten, die das Deep Web bevölkern. Nicht nur, dass er einem eher frugalen Lebensstil huldigt, darüber hinaus trägt die Agenda, die er auf seinem LinkedIn-Profil gesetzt hat, eine ernst gemeinte politische Seite. Eines der merkwürdigsten Dokumente, das sich bei den Unterlagen findet, ist ein langes Gespräch, das Dread Pirate Roberts mit seinem Mentor Variety Jones geführt hat – und in dem sie über den Hunger in der Welt reden, der durch das genmodifizierte, steril gemachte Saatgut von Firmen wie Monsanto nicht gelindert, sondern nur mehr noch ausgebeutet wird.
(2012‐05‐16 14:54) myself: Wir könnten so etwas wie eine Entwicklungshilfe sein
(2012‐05‐16 14:54) vj: Das ist der gute Teil – nimm ein Schiff mit 120.000 Tonnen Getreide, das ist nirgendwo illegal
(2012‐05‐16 14:54) myself: und das gibt dem einfachen Mann die Mittel, um seine Unterdrücker abzuschütteln
(2012‐05‐16 14:54) vj: Wir müssen nur ein Schiff kaufen – und niemand wird uns kommen sehen
(2012‐05‐16 14:55) myself: Nein
(2012‐05‐16 14:55) myself: Wahnsinn, was bin ich aufgeregt
(2012‐05‐16 14:55) vj: Siehst du, das hier – das ist Wandel.
In diesem Chat, der sich über eine gute Stunde hinzieht, entzündet sich eine grandiose Welterlösungsphantasie, an deren Ende der Plan steht, sich für eine karitative Plattform wie kiva.org stark zu machen. In dieser Logik sind die global operierenden Firmen wie Monsanto bessere Sklavenhalter, die sich willfährige Regierungen und das entsprechende Bankensystem halten, um die Profite zu steigern – während auf der anderen Seite eine am Menschen und seinen Bedürfnissen ausgerichtete Gegenökonomie steht. In dieser politischen Romantik ist die Möglichkeit, selbst zum Teil einer korrupten Herrschaftselite zu werden, nicht vorgesehen. Mit dieser Haltung nun steht Ulbricht keineswegs allein, stellt sein Glaube an die segensreichen Kräfte der Technologie das Motto des Silicon Valley dar, spielen auch Techno-Evangelisten solcher Giganten wie Google (Don't be evil) auf der Klaviatur der Erlösung. Nimmt man dagegen das Interview, das Dread Pirate Roberts ein Jahr später mit der Zeitung Forbes führt, scheint es, als hätte der Betreffende einen mentalen Klimaschock durchlitten. Das mag auch damit zu tun haben, dass der eigentliche Zweck des Interviews darin besteht, alle Spuren zu verwischen, die auf die bürgerliche Person Ross Ulbricht hindeuten könnten. So gibt es die neue Impersonation des Dread Pirate Roberts dem Interviewer zu verstehen, dass er die Seite nicht gegründet, sondern nur übernommen habe, so wie er auch die Identität des Dread Pirate Roberts angenommen habe. Zweifellos, so könnte man sagen, ist die Stimme des idealistischen Eagle Scouts längst verstummt, spricht hier der Manager, der auf seine technische Expertise rekurriert und seine prominente Stellung damit begründet, dass er eine Sicherheitslücke im Bezahlsystem ausgemacht und entfernt habe. Die neu gewonnene, ja geradezu ins Megalomane weisende Coolness schlägt sich auch in der Einschätzung nieder, dass die Silk Road nicht zu einem milliardenschweren Unternehmen geworden sei, sondern darüber hinaus die Machtverhältnisse im Staat selbst verändere.
Es verändert die Gesellschaft bereits. Wir haben den Krieg gegen die Drogen gewonnen, und zwar wegen der Bitcoins, aber dies ist nur der Anfang. Denn dies ist Teil einer größeren Verwandlung, die von der Peer-to-Peer-Technologie und vom Internet als Ganzem getrieben wird. Nun können die Nutzer den Fluss und die Verteilung von Information und Geld selbst kontrollieren. Sektor für Sektor wird der Staat aus der Gleichung entfernt und die Macht wird den Menschen zurückgegeben. Ich glaube nicht, dass irgendjemand die Größe der Revolution ermisst, in der wir uns befinden. Ich denke, dass wir, wenn wir später darauf zurückschauen, sie als Epoche in der Geschichte der Menschheit auffassen werden.
Während Ulbricht sich nach außen als neuer Typus eines Entrepreneurs, ja geradezu als Sozialrevolutionär geriert, sieht es in seinem Innern ganz anders aus. Seit dem September 2012 lebt er in San Francisco, zunächst bei seinem High School Freund René Pinnell, dann in verschiedenen Wohngemeinschaften, die er über die Craigslist gefunden hat. Hat er sich den Mitbewohner der ersten Wohnung noch als Ross Ulbricht vorgestellt, so beginnt er bereits Ende Mai 2013 über Fluchtpläne nachzudenken. Am 30. Mai notiert er: Sprach mit Nob darüber, mich in die Dominikanische Republik abzusetzen. Er sagte, er kenne einen General, der helfen könne. Tatsächlich ist der Eindruck, dass man ihm schon dicht auf den Fersen sei, keineswegs trügerisch. Unterdessen nämlich hat die New Yorker Task Force die IP Adresse seines Servers in Island ermittelt und im Mai eine positive Antwort auf ein Amtshilfeersuchen erhalten. Am 5. Juni wird ein Silk Road Händler festgenommen, am 6. Juni spiegeln die isländischen Behörden den verdächtigen Server mit der IP 193.107.84.4. Zu Ulbrichts Bedauern schlägt der Deal mit dem hilfsbereiten Nob fehl: Zwar leistet er eine Zahlung von 40.000 $, aber schickt falsche Fotos – und Nob behauptet, dass sich der Lieferant hintergangen gefühlt habe und nicht nicht mehr mit ihm spreche. Irgendwann im Laufe des Sommers zieht Ulbricht erneut in San Francisco um. Diesmal allerdings lernen ihn seine neue Wohnungsgenossen nicht mehr mit seinem bürgerlichen Klarnamen, sondern als Joshua Terrey kennen. Das einzige Auffällige an dem neuen Mitbewohner ist, dass er die gesamte Mietsumme in bar und im voraus entrichtet, kein Smartphone besitzt, und fast die ganze Zeit mit seinem Computer beschäftigt ist. Im eigenen Portal kontaktiert Dread Pirate Roberts, jetzt unter dem Pseudonym shefoundme, einen Händler, der ihm eine Reihe von gefälschten Ausweispapieren zukommen lassen möchte.
Fatalerweise aber bleibt das Paket, das aus Kanada stammt, am 10. Juli 2013, bei der amerikanischen Zollbehörde hängen. Da die Ermittlungsbehörden ein Café in der Nähe der darauf angegebenen Adresse als Ort ausgemacht haben, an dem sich der ominöse Dread Pirate Roberts in das Netz einzuloggen pflegt, gerät er in den Fokus der Ermittlungen. Während sich Ulbricht mit Yoga, seiner Djembé Trommel und gelegentlichen Treffen mit seinen neuen Mitbewohnern zu beruhigen sucht, kommen die Einschläge näher. Am 23. Juli untersuchen die New Yorker Computerforensiker den Spiegel des Silk Road Servers. Drei Tage später werden Beamte der Homeland Security bei Ross Ulbricht vorstellig und konfrontieren ihn mit den gefälschten Führerscheinen, die die Zollbehörden abgefangen haben: allesamt tragen sie das Foto Ulbrichts, sind aber auf die unterschiedlichsten Namen ausgestellt. Ulbricht zeigt sich überrascht und weist darauf hin, dass er, über eine Website namens Silk Road, von jedem x-Beliebigen falsche Dokumente oder Drogen zugeschickt bekommen könne. Von diesem Augenblick ist sein Schicksal besiegelt. Am 10. September 2013 unternimmt Gary Alford, der New Yorker FBI-Beamte, jene Suche, die Variety Jones schon lange zuvor antizipiert hat, und da steht plötzlich der Name Ross Ulbrichts im Raum. Haben sich die Ermittlungen auf verschiedene Verdächtige verteilt, von einem unbescholtenen Studenten bis hin zum berüchtigten Mark Karpeles, dem CEO der Bitcoin-Börse Mount Gox, so bleibt nur noch Ross Ulbricht übrig.
Währenddessen ist man in New York, in einem Raum, den man War Room getauft hat, damit beschäftigt, sich mit der Seite vertraut zu machen, die man über den gespiegelten Server dupliziert hat. Man studiert den Code, erkennt, dass man es mit dem Werk eines Autodidakten zu tun hat und studiert die Chat-Logs, die man von Dread Pirate Roberts ausfindig machen kann. Und so wissen die Beamten, lange bevor sie in der öffentlichen Bibliothek in San Francisco den Zugriff exekutieren, mit wem sie es zu tun haben. Was den Leiter der Abteilung, Chris Tarbell, am meisten schockiert, sind die Tötungsbefehle, die hier in aller Offenheit kommuniziert werden. So schreibt der Dread Pirate Roberts am 27. März 2013:
In meinen Augen ist der FriendlyChemist eine Belastung und es wäre mir egal, wenn er exekutiert würde … Ich habe die folgende Info Blake Krokoff Lebt in einem Apartment in der Nähe des White Rock Beach Alter: 34 Provinz: British Columbia Frau + 3 Kinder
VII Der Schuldspruch
Der Reichtum an belastendem, schriftlichem Material ist gewiss eine der größten Merkwürdigkeiten des Prozesses. Als die Richterin Katherine Forrest, nach dem Schuldspruch im Februar 2015, am 31.5.2015 das Strafmaß festlegt (zweimal lebenslänglich, ohne Hoffnung auf eine vorzeitige Haftentlassung), bemerkt sie, dass es ihr rätselhaft sei, warum Ulbricht Tagebuch geführt habe. Macht man sich klar, dass die Logik der Maschine auf Logs und Schriftlichkeit beruht, des weiteren, dass Ulbricht mit seiner Silk Road eine Fahrt ins Ungewisse unternommen hat, so ist es durchaus nachvollziehbar, dass er sich auf diese Weise über seine eigene Position hat klar werden wollen. Nicht nur die Ratlosigkeit der Richterin, auch vieles, was in der Verhandlung zur Sprache kam, belegt, dass hier weder die Binnenlogik der Silk Road, noch die symbolische Dimension des Verfahrens in den Blick geraten sind. Stattdessen wurde Ulbricht, wie ein Staatsfeind Nummer 1, für all das, was auf der Plattform geschah, abgeurteilt, im Sinne jenes überaus fragwürdigen transferred intent, bei dem der Betreiber eines Dienstes, wenn dieser denn als kriminell eingestuft wird, für alles haftet, was dieser an weiteren Straftaten ermöglicht.1 Dieser Konstruktion gemäß war es durchaus logisch, dass die Anklage die Eltern von Drogenopfern auftreten ließ, die ihre Ware bei der Silk Road bestellt und beim Konsum zu Tode gekommen waren. Verfehlten diese dramatischen Auftritte bei den Geschworen nicht ihre Wirkung, wurde Ulbricht auch juristisch, im Sinne der übertragenen Intention (die häufig mit der Redensart „Die Intention folgt der Kugel“ umschrieben wird), für den Tod dieser Menschen unmittelbar verantwortlich gemacht.2 Neben diesen Auftritten bestand ein Großteil der Anklage aus nichts weiter als einer öffentliche Verlesung ausgewählter Logfiles. Wieder und wieder trat ein Beamter der Strafverfolgungsbehörden vor und verlas, was Dread Pirate Roberts von sich gegeben und was die Logfiles protokolliert hatten. Verbunden mit dem Bewusstsein, dass Menschen zu Tode gekommen waren, war der Eindruck so desaströs, dass die Geschworenen so gut wie keine Beratungszeit brauchten, um Ulrich in allen Anklagepunkten (Verschwörung zum Vertrieb illegaler Substanzen, Betreiben einer kriminellen Organisation, Einbruch in Computersysteme, Verkauf gefälschter Ausweise, Geldwäsche) schuldig zu sprechen.
Demgegenüber brach die Strategie der Verteidigung schon früh in sich zusammen. Hatte Ulbrichts Anwalt Joshua Dratel zu Prozessbeginn eingeräumt, dass Ulbricht die Silk Road initiiert hatte, sie aber im Verlaufe der Unternehmung einem Nachfolger überlassen habe, wurde diese Konstruktion unter der schieren Masse an belastendem Material geradezu zermalmt – denn all die belastenden Indizien, daran bestand kein Zweifel, hatte man auf jenem Computer gefunden, der schon beim Zugriff die entscheidende Instanz war. Demgegenüber versuchte die Verteidigung, in die Ecke gedrängt, ein ums andere Mal, die Overkill-Qualitäten des belastenden Materials dadurch zu neutralisieren, dass man behauptete, es stünde keineswegs fest, dass Ulbricht ihr Urheber sei. Stattdessen habe er im Jahr 2012 einer anderen Person die Identität des Dread Pirate Roberts übergeben und habe sie erst kurz vor seiner Verhaftung erneut übernommen. Mit dieser Relativierungs- und Ausweichstrategie war die Chance dahin, die Frage nach der Natur dieser Kommunikation überhaupt zu stellen – eine Frage, die das merkwürdige, ja kriminelle Gebaren der DEA und Secret Service-Agenten Force und Bridges auf die Agenda hätte rufen müssen.
Folglich ist die besondere Logik, die die verschlüsselte und anonymisierte Kommunikation mit sich bringt, niemals Teil des Verfahrens geworden. Geht man bei einem gewöhnlichen Straftäter davon aus, dass Alkoholisierung oder ein hoher Erregungsgrad die Schuldfähigkeit des Delinquenten abmindern, so hat die moralische Entgrenzung, die mit der telematischen Kommunikation einhergeht, nicht strafmildernd, sondern im Gegenteil geradezu strafverschärfend gewirkt. Dass, wie die Richterin selbst bemerkt, mit diesem Urteil ein Exempel gesetzt werden sollte, erklärt, dass Ross Ulbricht genau jenes Urteil erhielt, das vor ihm der Banden-Boss James „Whitey“ Bulger erhalten hat, ein Mann, der in 11 Fällen des Mordes für schuldig befunden worden war (und dem eine Verwicklung in 150 und mehr Auftragsmorde zur Last gelegt wurde).
Demgemäß wurde nicht der junge Mann abgeurteilt, der von seinen Freuden, ja selbst von seinen Zellengenossen als sanftmütiger, liebenswürdiger junger Mann geschildert wurde, sondern entstand das Bild eines brandgefährlichen Soziopathen, der sein Schiff quasi im Alleingang in jene Untiefen steuerte, bei denen es am Ende um die kaltblütige Exekution all derjenigen, die den Geschäften der Silk Road im Wege standen.
Gleichwohl versperrt die Fixierung auf die charakterlichen Eigenschaften des jungen Mannes die Besonderheit des Falles. Denn wenn jemand in den Räumen des Manhattan Southern Court abgeurteilt wurde, so war es nicht Ross Ulbricht, der Djembé spielende und Yoga praktizierende junge Mann, sondern die Gestalt des Dread Pirate Roberts, in dem ein kollektives Phantasma seinen Ausdruck fand. Tatsächlich lässt sich die Silk Road, wie die Verwicklung der Handlungsstränge zeigt, nicht als individuelle Unternehmung, sondern nur als Schnittpunkt eines kollektiven Begehrens auffassen, eines Begehrens zudem, dass – in der Binnenlogik der anonymisierten Kommunikation – eine Gesetzmäßigkeit entfaltet, deren Verführungskraft sich nicht einmal die Staatsbeamten haben entziehen können. Denn fragt man nach den Intentionen, die die Silk Road ins Leben gerufen haben, so ist das Denken des Staatsfeindes Nr. 1 keine Abseitigkeit, sondern drückt, ganz im Gegenteil, die herrschende, neoliberale Ideologie aus: die Vorstellung eines freien Marktes, der endlich von den Fesseln des Staates befreit werden muss. In dieser Sichtweise ist Ross Ulbricht so etwas wie ein dunkler Spiegel, die Personifikation jenes unternehmerischen Denkens, das die Gründer von Google, Napster, Facebook, Twitter et. al. auszeichnet. Man könnte tatsächlich, wenn der Begriff nicht so überfrachtet besetzt wäre, von einem politischen Prozess sprechen. Warum? Weil das Verfahren in jenem politischen Vakuum stattfindet, das sich mit der Entfesselung des Geldes und der Kommunikation seit den 70er Jahren aufgetan hat – und wofür die Ankläger selbst die besten Beispiele liefern: Chuck Schumer, jener Senator, der sich 1996 für die Abschaffung des Glass Steagall Acts stark machte, und die von ihm ins Amt gehobene Richterin Katherine Forrest, die sich als Anwältin (mit Spezialisierung auf Antitrust-, Vertrags- und Urheberrechtsfragen) für die Belange von Unterhaltungskonzernen wie Times Warner eingesetzt hat und deren letzte Amtshandlung vor dem Silk Road-Verfahren die Niederschlagung eines Kartellverfahrens gegen JPMorgen war.3 Nehmen wir die dunkle Bemerkung Carl Schmitts »Der Feind ist meine eigene Frage in anderer Gestalt«, so mag sie die Fatalität des Verfahrens demonstrieren: dass Ross Ulbricht zum Sündenbock jenes politischen Vakuums geworden ist, das sich mit der digitalen Revolution aufgetan hat.
Wenn die Silk Road hier als Lehrstück gelten kann, so weil sie ein Doppeltes klar macht. Denn hier begegnen wir in Reinform jenem Phantasma, das die Akteure der Digitalen Revolution uns an die Wand malen, eine Welt, in der der Staat, als nationalstaatliche Einheit, seine Bedeutung verloren hat. Dieses Vakuum macht sich nicht allein in den Tiefen des Webs bemerkbar – es artikuliert sich nicht minder in der Anomie all jener Geldströme, die dorthin wandern, wo die niedrigste Steuerlast gilt oder entsprechend niedrige Sozialstandards die höchsten Profite versprechen. Wenn ein traditionsreiches Institut wie die Deutsche Bank in über tausend Rechtsstreitigkeiten verwickelt und wegen vielfacher Rechtsbrüche verurteilt worden ist, zeigt sich, dass die Logik der Narco-Dollars längst respektabel anmutende Institutionen erfasst hat. Haben sich die Händler, die den Libor-Zins manipuliert haben, ähnlich arglos benommen wie der Dread Pirate Roberts, so ist anzunehmen, dass sie in Zukunft lernen werden, ihre Abspaltungstechniken den Erfordernissen der verschlüsselten Kommunikation anzupassen. Oder mit anderen Worten: dass sie jenen Weg nehmen werden, den der Libertär Ross William Ulbricht hinter sich hat – hin zur volldigitalen, geschichtslosen Persona des Dread Pirate Roberts. Nehmen wir seine Geschichte als Lehrstück, so lehrt sie, dass wir die Silk Road als State of the Art auffassen können, als Staat ohne Staat, der mit den alten Fesseln auch die soziale Bindekraft abgestreift hat. Und ist dies nicht die Welt, in der wir längst leben, eine globale Ordnung, deren Wirkungen nicht nur segensreich, sondern durchaus sinister sein können. Wie hat es Joseph de Maistre einmal gesagt? Der Weg in die Hölle ist mit guten Intentionen gepflastert.
Was hier so fragwürdig ist, ist die Art und Weise, wie die Richterin Forrest die Doktrin des übertragenen Vorsatzes zu nutzen scheint, um Ross Ulbricht für die kriminellen RICO-Aktivitäten der ermittelnden Beamten verantwortlich zu machen, einschließlich ihrer Nutzung der Silk Road zur persönlichen Profitmaximierung; und sie tut dies, indem sie alle Beweise für diese kriminellen Aktivitäten als unzulässig für den Prozess deklariert. Es scheint fast so, als hätte sie in einem Anflug von Verzweiflung beschlossen, Ross zum Sündenbock dafür zu machen, dass die libertäre Phantasie des amerikanische Traums in der Anonymisierung und Verschlüsselung, die dem digitalen sozialen Antriebunseres Zeitalters innewohnen, zu erliegen droht; etwas, das sie offensichtlich weder verstanden hat noch einzudämmen weiß, wie die Zuweisung einer zweideutigen rechtlichen Verantwortung in der Fußnote zwei unten weiter zeigt
Man mag darin gewissermaßen eine Retourkutsche sehen, denn dieser Logik gemäß hätte man den US Postal Service, ebenso wie FedEx oder DHL für den Drogenhandel verantwortlich machen können – wurde die Logistik des Drogenversands doch ausschließlich über diese Kanäle abgewickelt.